Carl (von) Spring
Heilige Schriften: Übernatürliches Wissen oder primitive Theorien?
#Bibel #Christentum #Religionen
Geht man an die Analyse von heiligen Schriften mit der Haltung heran, ein übernatürliches Wissen durch göttliche Offenbarung oder paranormale Fähigkeiten vor sich zu haben, dann erlebt man großen Frust, weil die Schriften erstens nicht mit der Wissenschaft übereinstimmen, zweitens mit anderen heiligen Schriften nicht übereinstimmen und drittens häufig sogar innere Widersprüche aufweisen, so dass man nicht einmal herausdestillieren kann, was die Antwort einer Schrift auf eine bestimmte Frage ist.
Besser kommt man mit mit den sogenannten heiligen Schriften zurecht, wenn man sie als Sammlung (früher oder auch aktueller) menschlicher Theorien über das Leben, die Welt und besondere subjektive Erfahrungen betrachtet, auch wenn die Theorien selber als Vision ins menschliche Bewusstsein gekommen sein mögen.
Verschiedene Menschen haben verschiedene Theorien. Das erklärt schon einige der inneren Widersprüche einer Schrift. Denn oft haben mehrere Schriftsteller an einer einzigen Schrift mitgearbeitet. Das gilt natürlich beispielsweise für die Bibel als Ganzes, aber nach Analyse der Gelehrten auch schon für das Johannesevangelium; ein anderes Beispiel hierfür wäre das einem Propheten namens Jesaja zugeschriebene Werk im Alten Testament.
Aber auch ein und derselbe Mensch kann innerhalb eines Lebens oder sogar gleichzeitig mehrere Theorien erforschen oder zwischen ihnen hin und her schwanken. Das erklärt weitere Widersprüche sowohl von Seiten des Schreibers als auch des Beschriebenen bzw Zitierten.
Es kann informationsVerluste zwischen dem Beschriebenen und dem Schreiber geben. Die Schrift wirkt dann an manchen Stellen verstümmelt. Oder der Schreiber vervollständigt dann selber auf mehr oder weniger willkürliche Weise.
Am schlimmsten ist es, wenn jemand seine eigene Botschaft missverständlich oder unverständlich machen will. So z.B. Nostradamus. Oder eben auch Jesus! Der wollte nur von seinen Jüngern verstanden werden. Was aber wegen seiner Verschlüsselung mit Symbolen und Gleichnissen oftmals heftig schief ging! Da kann man sich wirklich nur fragen, wieviel von Jesu Lehren wirklich zu uns gelangt ist. Eigentlich scheint es ja überflüssig, öffentlich aufzutreten, wenn man es bewusst darauf anlegt, nicht verstanden zu werden! An der Erlösung von möglichst vielen Menschen kann einem solchen Lehrer ja eigentlich nicht gelegen haben! Oder steckte da ein genialer Plan Jesu dahinter?
Resümee: Die Beschäftigung mit sogenannten heiligen Schriften sollte man nicht verbissen angehen. Man sollte ihre Inhalte so locker und distanziert betrachten wie Theorien in der heutigen Wissenschaft.
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Weitere Kommentare von mir selbst dazu
KOMMENTAR 1
Wenn zwischen einem Schreiber und seinem Dargestellten noch eine Traditionskette besteht, können auch die Menschen dieser Kette ihre jeweiligen Theorien ins Resultat einfließen lassen.
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KOMMENTAR 2
Wenn in einer Überlieferungskette einer der Beteiligten unverständlich, entweder weil zu schwierig oder absichtlich verschlüsselt, sich ausdrückt, sind die nachfolgenden Glieder der Kette zu Interpretationen bzw vereinfachten Theorien gezwungen. Auch so können sich Ungenauigkeiten, Fehler und Widersprüche einschleichen.
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KOMMENTAR 3
Jesus hat sich definitiv keine große Mühe gegeben, seine Jünger korrekt und intensiv auf seine Kreuzigung und seine Auferstehung vorzubereiten. Erst nach diesem Schock wollen sich die Jünger an wenige dunkle Äußerungen ihres Meisters in diese Richtung erinnern können. Der Jünger eigentliches Ziel vor der Kreuzigung war aber die messianische Weltherrschaft. Nach der Kreuzigung waren sie erst einmal geschockt, fanden aber im vielseitigen Alten Testament ziemlich schnell neue Passagen, die sie auf Jesus anwenden konnten. So konnte er als Messias bestehen bleiben. In gewissem Sinn war das symbolischer Tod und Auferstehung Christi. Und Symbole waren für diese Gruppe extrem wichtig.
Immerhin war die Jesusbewegung zu seiner Zeit in mancherlei Hinsicht ein religiöser Fortschritt. Es wäre schade gewesen, wenn sie völlig untergegangen wäre. Außerdem war ja die Hauptlehre von Jesus und seiner Gruppe - nämlich die bevorstehende Apokalypse samt Jüngstem Gericht - nach wie vor das wichtigste Thema überhaupt. Dieses Thema, also die Hauptlehre, war durch Jesu unerwarteten Tod ja keineswegs erledigt. Aber die Rolle Jesu erforderte eine Uminterpretation. Weg vom strahlenden König der Juden, den der gesamte Erdkreis verehrte, hin zur Identifikation mit der apokalyptischen Figur des vom Propheten Daniel angekündigten Menschensohns und Weltrichter aus den Wolken. Der Weg zu dieser Transformation war als Zwischenschritt insbesondere die Identifikation von Jesus mit dem wegen (!) Sünden anderer leidenden Gottesknecht Jesajas.
Als die Apokalypse entgegen den Prophezeiungen von Jesus und den Aposteln ausblieb, geriet die Lehre davon immer weiter in den Hintergrund. In den Vordergrund geriet immer mehr das Leiden und die SündenÜbernahme durch Jesus.
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KOMMENTAR 4
Wahrscheinlich verlangte die Jesusbewegung zur Vergebung der Sünden vor der Kreuzigung Jesu nur die Buße - also ernsthafte Reue. Damit glich sie der Bewegung von Johannes dem Täufer sowie vielen anderen Religionen. Erst nach der Kreuzigung verlangte das Christentum zusätzlich noch den Glauben an Jesus als den Herrn, der die Gebote festlegen und erläutern konnte, sowie den Glauben an Jesus als den Übernehmer der Sünden gegen diese Gebote.
Denn auch geheilt hat Jesus ja niemals mittels Übernahme der Sünden. Sondern mit den Worten: "deine Sünden sind dir vergeben. Sündige nicht mehr!"
Die damalige Zeit einschließlich Jesus hat Leiden immer auf Sünden zurückgeführt, sofern sie nicht der Verherrlichung von Jesus durch seine Heilfähigkeit dienen sollten.
Wenn Jesus aber als Meister der Jesusbewegung für diese als ethisch vorbildlich und sündlos galt, welche Sünden können dann zu seiner Kreuzigung geführt haben? Entweder die Sünden von Jesus selbst in einem früheren Leben; doch an frühere Leben glaubte die Jesusbewegung nicht (anklingende Stellen im Neuen Testament sind sinnbildlicher Art oder verweisen auf Sünden eines Kindes im Mutterleib, was die Juden damals für möglich hielten). Wenn also die Sünden von Jesus selbst ausfallen, so konnte seine Kreuzigung nur auf die Sünden anderer Menschen zurückzuführen sein. Das ist in der antiken Denkweise streng logisch. Und der Gedanke an Opferung für (!) die Sünden von anderen Menschen ist dann nur noch der nächste Schritt.
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